Montag, 24. September 2012

Ich bin zwar seit geraumer Zeit wieder in Deutschland, aber der Vollständigkeit halber ist hier mein dritter Bericht für weltwärts (vielleicht folgt noch der vierte)

Das Ende meines Freiwilligendienstes kommt  genau zum falschen Zeitpunkt. Im Moment geht es mir hier richtig gut und ich habe endlich das Gefühl mich hier richtig eingelebt zu haben. Ich hatte zwar vorher  nicht das Gefühl mich nicht zu Recht zu finden, aber eigentlich habe ich jetzt erst das Gefühl, hier richtig zu sein.  Die Arbeit in den Schulen habe ich komplett aufgegeben und das ist auch gut so. Im Krankenhaus bin ich dafür umso mehr, was mir richtig Spaß macht. Die Krankenschwestern lassen mich auch immer mehr machen. Z.B. helfe ich jetzt viel im Labor, mache Malariatests und darf Blutabnehmen. Außerdem gibt es jetzt Untersuchungen zur Gebärmutterhalskrebsvorsorge, wo ich auch häufiger helfe, wenn sich die Frauen nicht von einem Mann untersuchen lassen möchten. Bei positivem Befund sollen die Frauen zu einem Gynäkologen geschickt werden, ich bezweifle allerdings, ob sie wirklich dahin gehen (aus Scham, Angst oder Geldmangel). Das Dholuo lernen habe ich mehr oder weniger aufgegeben. Das meiste lernt man eh nebenher, sodass ich Standartsätze aus dem Krankenhausalltag ganz gut beherrsche.

An Samstagen fahren Kati und ich mit zwei Freunden, die auf der HIV Station arbeiten, zu Grundschulen in der Umgebung. Dort machen wir in der 6. bis 8. Klasse Aufklärungsunterricht über HIV und frühe Schwangerschaft. In vielen kenianischen Familien sind  HIV und Sexualität Tabuthemen. Es ist überall präsent, doch darüber gesprochen wird nicht. Die Stigmatisierung durch HIV ist sowieso ein großes Problem in der Gesellschaft. Die Schüler wissen meistens schon einiges. Leider ist Aufklärungsunterricht wie in Deutschland überhaupt nicht möglich. Dank katholischer Kirche und traditionellen Auffassungen über die Funktion der Frau wird über Verhütungsmittel quasi nicht gesprochen. Kondome werden am Rande mal erwähnt, dafür werden die Schüler als zu jung empfunden – sie könnten ermutigt werden Geschlechtsverkehr zu haben. Also wird erst über HIV und andere Geschlechtskrankheiten gesprochen und dann den Schülern eingetrichtert keinen Sex vor der Ehe zu haben und ihrem Partner treu zu sein. Eigentlich ein logischer Ansatz und es könnte eine Vernünftige Lösung sein, wenn es nicht vollkommen unrealistisch wäre. Viele Männer (und sicher auch Frauen) geben nichts um Treue zu ihrem Partner und die Jugendlichen haben nun mal Geschlechtsverkehr. (Sei es der Reiz des Verbotenen, der  Mangel an anderen Freizeitbeschäftigungen auf dem Land (klingt hart, ist aber so) oder Neugier.)

Trotzdem ist der Aufklärungsunterricht sinnvoll, weil das Thema überhaupt angesprochen wird und auch außerhalb des normalen Unterrichts, also auf einer anderen Ebene.

In letzter Zeit machen Kati und ich auch viel  mehr mit Kollegen aus dem Krankenhaus in unserer Freizeit und ich habe das Gefühl endlich Freunde hier zu haben, auch wenn  die Freundschaften vergleichsweise oberflächlich sind.
Einerseits ist es Schade gerade jetzt hier weg zu müssen, andererseits freue ich mich auch auf Deutschland, meine Freunde und Familie und all die schönen Sachen, die man in Deutschland machen kann.
Dem Abschied sehe ich relativ entspannt entgegen. Zwar weiß ich nicht, wann ich alle wieder sehe, aber so tiefgehende Freundschaften habe ich auch nicht aufgebaut. Wenn ich sie so stark vermisse, kann ich immer noch versuchen, sie wiederzutreffen.

Generell waren die 11 Monate weltwärts eine unglaubliche Erfahrung oder eher eine riesen Menge an Erfahrungen, der man sich so eventuell noch gar nicht bewusst ist oder ausdrücken kann.
Das Programm sollte vielleicht nicht entwicklungspolitischer Freiwilligendienst genannt werden, es sei denn das bezieht sich auf den Freiwilligen selbst.  Man entwickelt sich definitiv weiter und mich beschäftigen andere politische Themen, aber ich habe nicht zur Entwicklung Kenias und beigetragen und auch keine politischen Reden gehalten.

Das Jahr hat sich auf jeden Fall gelohnt und ich würde mich wieder dazu entscheiden. So viele Eindrücke und Erfahrungen habe ich gewonnen, die ich in Deutschland niemals gehabt hätte.